Sirisena will Anklage gegen Soldaten verhindern

UN und tamilische Minderheit kritisieren Sri Lankas Versagen bei Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen

  • Thomas Berger, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.

Gut zwei Jahre ist es her, seit der Machtwechsel in Colombo, der de facto Hauptstadt von Sri Lanka, stattfand. Dieser wurde von der eigenen Bevölkerung wie der internationalen Gemeinschaft begrüßt. Beinahe hätte der vormals starke Mann, Ex-Präsident Mahinda Rajapaksa, nach seiner Wahlniederlage im Januar 2015 noch das Militär zu einem Putsch überredet. Doch selbst die Generale sahen keinen Grund, zu seinen Gunsten einzugreifen.

Zu sehr hatte Rajapaksa den südasiatischen Inselstaat schließlich zuvor in die internationale Isolation getrieben. Seine beharrliche Weigerung, mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten, um die zahlreichen Vorwürfe zu Kriegsverbrechen, politischen Morden und dem teils massenhaften Verschwinden mutmaßlicher Kader der einstigen tamilischen Rebellenbewegung Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) aufzuklären, war nicht der einzige, aber ein wichtiger Aspekt für den Wahlsieg des gemeinsamen Oppositionskandidaten Maithripala Sirisena. Der heutige Präsident nahm den zuvor abgerissenen Dialogfaden wieder auf. Im Oktober 2015 wurde ein Abkommen geschlossen, das eine formelle Anklage gegen Sri Lanka im UN-Menschenrechtsrat zurückstellt und der neuen Regierung 18 Monate einräumt, um bei der Aufklärung der mutmaßlichen Verbrechen eine solide Grundlage zu erzielen.

Die Frist läuft nun aus. In ungewöhnlich harten Worten hat der sonst um diplomatische Töne bemühte Sirisena betont, dass er nicht gewillt ist, »seine« Soldaten einer Anklage auszusetzen. »Ich werde keine Organisation erlauben, mir zu diktieren, wie ich meine Regierung zu führen habe«, sagte er unlängst zu UN-Forderungen, endlich ein mit einheimischen wie ausländischen Richtern besetztes Tribunal zur Untersuchung der Vorwürfe einzusetzen. So umstritten die internationale Beteiligung an einem solchen Sondergerichtshof in der Bevölkerung sein mag - die neuen Mahnungen sind nur die Folge dessen, dass auch die eigene Justiz so gut wie nichts unternommen hat. Unter anderem hat die Tamilische Nationalallianz eine zügige Umsetzung der Genfer Resolution von 2015 zum Kriegsverbrechertribunal gefordert. Zunächst müsse dazu in Colombo ein UN-Büro eingerichtet werden, heißt es aus den Reihen der wichtigsten politischen Interessenvertretung der tamilischen Minderheit, die bisher die Koalitionsregierung unterstützt hat.

Das steht nun für die Zukunft auf der Kippe. Die 16 Abgeordneten der aus den Einzelparteien ITAK, PLOTE, TELO und EPRLF haben sich mit weiteren Vertretern des Bündnisses Mitte März in der Provinzstadt Vavuniya beraten. Am Ende des Treffens stand die deutliche Aufforderung an Sirisena und das Regierungsteam, der Vereinbarung mit der UN in allen Punkten nun unverzüglich nachzukommen.

Einer von vielen noch immer unaufgeklärten politischen Morde ist des kritischen Journalisten Lasantha Wickrematunga im Januar 2009. Drei Tage, nachdem er der damaligen Regierung Rajapaksa unterstellt hatte, seine Ermordung zu planen, wurde er tatsächlich auf dem Weg zur Arbeit auf offener Straße niedergeschossen. Zwar wurde im vergangenen September seine Leiche exhumiert. Und im Februar hieß es, zwei ehemalige Polizeichefs sowie der vormalige Leiter des militärischen Geheimdienstes stünden in Zusammenhang mit der versuchten Vertuschung des Mordes vor der Festnahme. Zu dieser kam es dann aber nicht, offenbar weil der Präsident vor Druck aus einflussreichen Kreisen eingeknickt war. Wickrematunga, Chefredakteur des von ihm gegründeten Blattes »Sunday Leader«, war einer der schärfsten Kritiker des Rajapaksa-Clans. Vor allem Gotabaya Rajapaksa, Bruder des Ex-Staatschefs und seinerzeit Verteidigungsminister, warf er im militärischen Vorgehen die LTTE vor, über die Stränge zu schlagen. Die finale Offensive, die im Mai 2009 mit dem Tod nahezu der kompletten Rebellenführung den Bürgerkrieg beendete, sollte wenig später gemäß den heute weiter im Raum stehenden Vorwürfen noch sehr viel deutlichere Kriegsverbrechen bringen.

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